Vor 80 Jahren: Kriegsende und schlimme Nachkriegszeit - Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V.

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Vor 80 Jahren: Kriegsende und folgende schlimme Nachkriegszeit

Mit dem Einmarsch der Amerikaner in unserer Region am 28. März 1945 war der Krieg ansonsten noch nicht endgültig zu Ende. Erst mit der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde am 8. Mai 1945 in General Eisenhowers Hauptquartier in Reims war der Krieg, der unglaublichen 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte, vorbei. Anwesend waren in Reims außerdem britische, sowjetische und französische Vertreter. Die deutsche Abordnung wurde von General Jodl geleitet. Dieser bat nach der Unterzeichnung um das Wort: „Herr General Eisenhower, mit dieser Unterschrift sind das deutsche Volk und die Wehrmacht auf Gedeih und Verderb dem Sieger ausgeliefert. In dieser Stunde bleibt mir nichts, als auf die Großmut des Siegers zu hoffen.“ Er erhielt keine Antwort.
 
Im Januar 1945 betrug die Anzahl der aus Heuchelheim in den Krieg einberufenen Männer 650. Davon kehrten 270 nicht mehr zurück. Kinzenbach hatte 66 Kriegsopfer zu beklagen. Bereits 5 Tage vor Kriegsbeginn (01.09.1939) am 26.08.1939 begann die sogenannte „Zwangsbewirtschaftung“, die die Rationierung von Lebensmitteln, Schuhen und Bekleidung sowie fast aller anderen Gebrauchsgüter für den täglichen Bedarf betraf und rund 10 Jahre bis Ende 1949 dauerte und somit noch über die Währungsreform mit der Ausgabe der D-Mark am 21.06.1948 hinaus. Die Nahrungsmittelrationen, die bis zur Kapitulation noch 2000 Kalorien pro Kopf und Tag betrugen, schrumpften danach zunächst auf etwa 1200 und später auf nur noch etwa 1000, soweit sie überhaupt zur Verfügung standen. 55 % aller deutschen Kinder waren 1946 unterernährt. War es in den Dörfern noch einigermaßen erträglich, so gab es für die Stadtleute kaum eine Möglichkeit die Rationen aufzubessern. Der Schwarzhandel blühte prächtig. Möbel, Teppiche. Schmuck usw. wurden illegal gegen Brot, Mehl, Fleisch, Wurst und Schinken getauscht. Verbreitet war der Handel mit Tabak, Zigaretten, Schokolade und Kaffee, besonders von Leuten, die Beziehungen zur Besatzungsarmee pflegten. Gerade in den Städten wog der Durchschnittsmann Ende 1945 nur etwa 51 kg. Die Währungsreform stoppte den Schwarzhandel bis er nach einigen Jahren völlig verschwand. Schlimm war der Wohnungsnotstand. Die Amerikaner hatten über 30 Häuser beschlagnahmt. Auch die in 1946 Heuchelheim zugewiesenen mehr als 900 Heimatvertriebenen mussten untergebracht werden. Kinzenbach musste ca. 300 Personen aufnehmen. Ärger ernteten diejenigen, die die Wohnräume beschlagnahmen mussten, gleich von zwei Seiten: Von den Hausbesitzern, die zwangsweise Wohnraum zur Verfügung stellen mussten und den Einziehenden, denen die Zuweisung zu gering erschien. Es dauerte noch etwa 15 Jahre, bis der Wohnungsnotstand einigermaßen zufriedenstellend gelöst werden konnte.  

Nachstehend Ausschnitte bzw. Stimmen von Zeitzeugen aus einem Erzähl-Café, das der Kulturring vor 20 und somit 60 Jahre nach Kriegsende am 24.04.2005 im vollbesetzten evangelischen Gemeindehaus veranstaltete: Elli Rinn, damals bei der Gemeindeverwaltung tätig, berichtete, dass die ausgegebenen Lebensmittelkarten nur jeweils 4 Wochen galten und es insgesamt 137 Zuteilungsperioden gab. Letzte Bettwäsche wurde gegen Essbares getauscht. Es wurde geschmuggelt, organisiert, unterschlagen, Schwarzhandel getrieben, die Schieber seien die echten Kriegsgewinnler gewesen. Zum Schlachten brauchte man einen Berechtigungsschein und das Gewicht wurde auf die Lebensmittelzuteilung angerechnet. Salz und Pfeffer waren knapp. Aus den Lappenkisten nähten Mütter Kleidungsstücke. Emil Winter, der als 15 jähriger noch kurzfristig eingezogen wurde, erinnert sich, dass seiner Mutter 40 Gläser Eingemachtes aus dem Keller gestohlen wurde. In fünf Lagern waren russische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter bei verschiedenen Heuchelheimer Firmen untergebracht. Bei ihrer Entlassung luden sie Lebensmittel auf ihre Wagen, doch Ludwig Schneider, kommissarischer Bürgermeister, wusste sich zu helfen. Er lud das geplünderte Gut auf der anderen Seite wieder ab. Auch die Angehörigen der Hitlerjugend (HJ) wurden in das Kriegsgeschehen eingebunden. Die 15-jährigen Willi Reuschling und Helmut Emrich wurden 1944 in Merzig (Saar) zum vorgezogenen Wehrdienst eingesetzt. Willi Reuschling wurde anschließend von der SS nach Pilsen ins heutige Tschechien verschleppt. Doch als es hieß die Russen seien dort, waren die Bewacher verschwunden und er geriet - sich selbst überlassen - an der Grenze in amerikanische Gefangenschaft. Nach der späteren Entlassung musste er von der Oberpfalz nach Hause laufen. Helmut Emrich kehrte vom Einsatz in Merzig am 11.12.1945 ins brennende Heuchelheim zurück. Später wieder einberufen, führte sein Weg bis nach Norddeutschland, von wo er erst im September 1945 zurückkehrte. Aufgrund der Hungersnot schleppte er gar ein Ferkel im kaputten Sack zu Fuß von Alten-Buseck heim. Sein Schlusswort: „Krieg ist das Schlimmste, was man Menschen antun kann!“
 
Adele Medebach und Jürgen Luckhardt waren gerade 6 Jahre alt, als sie mit ihren Eltern ihre mit Ausgebombten und Vertriebenen voll belegten Häuser in der verlängerten Wilhelmstraße über Nacht verlassen mussten, um den Besatzern Platz zu machen. Sie mussten sich mit Behelfswohnungen, meist mit einem Zimmer für die ganze Familie, auf Jahre zufrieden geben. Jürgen Luckhardt schilderte, dass er die Kirschen, die er auf seinem elterlichen Grundstück gepflückt hatte, seitens der Besatzer nicht behalten durfte.
 
Vom 8. Mai bis Ende September 2005 gab es zudem im Heimatmuseum eine vielbeachtete Sonderausstellung zu „Kriegsende und Nachkriegszeit.“

Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V. Arbeitskreis Ortsgeschichte
Online seit dem 27.12.2020
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